Die letzten Tage waren auf vertraute Weise anstrengend. Stoffwechselanstrengend. Nachdem ich in immer größeren Mengen medizinisches Ghee zu mir genommen hatte, begann das besondere Fett an zu wirken. Die Verdauung und die Darmgegend fühlten sich schwer an. Müdigkeit und Trägheit breiten sich aus. Aus ayurvedischer Sicht wird durch die Aufnahme von Ghee das physiologische Stoffwechselprinzip Kapha im Körper erhöht. Das Fluten der Körperzellen mit Fetten dient beim Panchakarma als Vorbereitung des nachfolgenden Ausleitungsverfahren.
Bis zu sieben Tage kann die Gabe von Ghee erfolgen. Die zunehmende Einnahme ist mit zunehmenden Ekel verbunden. Allein der Geruch von warmen und flüssigem Ghee erzeugt inzwischen auch bei Carsten heftige Fluchtreflexe. Glücklicherweise kam bei mir nach drei Tagen der erlösende Durchfall. Dieser dient als Indikator, wieviel Ghee der Körper toleriert. Erst danach wird von ärztlicher Seite entschieden, wie die weitere Behandlung erfolgt.
Im Gegensatz zum letzten Jahr wurde mir beim Panchakarma anschließend nicht Basti sondern ein therapeutisches Abführen (Virechana) verordnet. Der Grund dürfte in meinem nahezu halbierten Insulinbedarf und dem stabilen Blutzuckerverlauf liegen. Die anfänglich wesentlich höheren Blutzuckerschwankungen verhinderten im letzten Jahr die Anwendung dieser wirkungsvollen Darmreinigungsmethode.
Nach ayurvedischen Verständnis dient Virechena zur Behandlung von Pitta-Krankheiten. Es soll die Intensität des Verdauungsfeuers Agni beruhigen, indem es überschüssiges Pitta aus dem Magen und dem Dünndarm entfernt. Die mit Ghee gelösten Toxine und Schlacken sollen dabei ausgeschieden werden. Darüber hinaus soll Virechena auch das physiologische Stoffwechselprinzip Vata kontrollieren.
Nahezu allen Verfahren des Panchakarma werden hier am P.D. Patel Ayurveda Hospital mit einer kleinen Zeremonie verbunden. Vor der Durchführung meines Virechana bekam ich von der Stationsärztin eine kleine Schüssel behutsam in die gefalteten Hände gelegt. In der Schüssel befand sich Rizinusöl, dem abführende Kräuter (Purgativa) beigemengt waren. Bevor ich die Mischung zu mir nehmen konnte, sangen die Stationsärztin Namrata und die anwesende Schwester zusammen wieder ihr Mantra.
Nach einiger Erholung von der vollständigen Darmentleerung haben gestern die stoffwechselintensiven ayurvedischen Prozeduren wieder in vollem Umfang eingesetzt. Eine dieser Therapien ist mir aus dem letzten Jahr vertraut: das Schröpfen. Dabei werden Gläser unter Vakuum auf die Haut gebracht. Bei diesem trockenen Schröpfen wird durch den Unterdruck an der behandelten Stelle das darunter gelegene Binde- und Muskelgewebe entlastet und dadurch besser durchblutet.
Begleitet durch die regenerative Wirkung der ayurvedischen Behandlungen ist die damit verbundene Stoffwechselsteigerung im Umfeld der verschlossenen Oberschenkelarterie möglicherweise der entscheidende Faktor bei der Bildung und des Ausbaus von Kollateralen. Zwar merke ich bislang noch keine Vergrößerung der Wegstrecke. Aber Ayurveda dauert nun einmal und außerdem zeigten sich auch beim letzten Mal erst nach drei bis vier Wochen Rosskur die unglaublichen Auswirkungen auf meinen Organismus.