Blutzuckerkontrolle

Die Ernährung im Ayurveda – Teil 2

In meinem letzten Beitrag spielte der Geschmack von Lebens­mitteln eine wichtige Rolle bei einer gesunden Er­näh­rungs­weise. Dabei ist die ayur­vedische Be­trach­tung aufgrund ihrer Komp­lexität viel­leicht auf den ersten Blick verwirrend. Noch ver­wir­render wird es, wenn der Geschmack und die Wirkung von Gewürzen mit ins Spiel kommen. Aus diesem Grund ver­zichte ich auch hier ganz bewusst auf das aus­ufernde Thema der Gewürze. Es wäre eher etwas für einen Work­shop.

Doch nicht nur der Geschmack ist für eine gesunde Er­nährung relevant. Einen ebenso wichtigen Ein­fluss auf die Ge­sund­erhaltung besitzt die Qualität der auf­ge­nom­menen Nahrung. Im Gegen­satz zum Uni­ver­si­täts­kli­nikum Leipzig, welches aus be­triebs­wirt­schaft­lichen Gründen die Ver­pflegung einem Dritt­an­bieter über­lässt, der eine wirk­lich schlechte Nahrung anbietet sind die hier im P.D. Patel Ayurveda Hospital angebotenen Mal­zeiten von wesent­lich besserer Qualität. Dies ist nicht ver­wunder­lich. Im Ayur­veda wird Ernährung als tragendes Element von Gesund­heit verstanden. Die ent­schei­dende Rolle besitzt dabei das Mikro­biom des Darmes und dessen Aus­wir­kungen auf das Immun­sys­tem und die Psyche. Dazu aber später mehr.

Doch leider machen Kosten­gründe und Zeit­druck auch nicht vor der Küche in diesem Kranken­haus halt. Laut einer indischen Patientin ist die Küche im Vergleich zur berühmten vege­ta­rischen Küche im Bundes­staat Gujarat nicht wirklich gut. Es ist eben Kranken­haus­kost. Aber auch ich habe den Ein­druck, dass die Qualität gegen­über dem Vor­jahr ein wenig nach­ge­lassen hat.

Dennoch ist die Zubereitung aller Speisen zu jeder Mahl­zeit frisch mit einem hohen Anteil an ge­koch­tem Gemüse. Die von der WHO empfohlenen 400g an Gemüse pro Tag werden hier erreicht. Die Patienten erhalten entweder Voll­wert­kost, eine leichte oder eine voll­stän­dige diätische Kost. Meist werden Voll­korn­produkte verwendet. Bei der Diät spielt die Mungbohne in verschiedenen Variationen die Haupt­rolle. Für die Voll­wert­kost wird leider in­zwischen auch hier aus Zeit­gründen geschälter weißer Reis verabreicht, der einen viel zu schnellen Blut­zucker­anstieg zur Folge hat und mit einer schnelle Insulin­sekretion einhergeht. Für den Or­ga­nismus ist dies eher un­günstig. Bei der Mung­bohne hingegen erfolgt ein all­mählicher Blut­zucker­anstieg mit lang­samerer In­su­lin­frei­setzung.

Mein schnell wirkendes Insulin Fiasp stellt mich jedoch mit der Mung­bohne vor eine Her­aus­for­derung. Es setzt bereits nach 15min mit seiner Wirkung ein und nach einer bis drei Stunden erreicht es sein Wirk­maximum. Die Re­sorp­tion der Kohlen­hydrate aus der Mung­bohne beginnt aller­dings so richtig nach zwei Stunden ein­zu­setzen. Somit passiert mir es nicht selten, dass ich kurz nach dem Essen in einen kritisch tiefen Blut­zucker­bereich komme.

Dabei hat die Kinetik des Blut­zucker­ver­laufs nicht nur bei Menschen mit Diabetes eine besondere Bedeutung. Einer­seits führt der regel­mäßige Konsum von industriell ver­arbeiteten Lebens­mitteln mit einem hohen Gehalt an ein­fachen Zuckern nur kurz­zeitig zu einem Sät­tigungs­gefühl. Die ein­her­gehende schnelle In­sulin­frei­setzung belastet auf Dauer die In­su­lin­sekretion aus der Bauch­speichel­drüse. Eine Er­schöpfung mit Typ-2-Diabetes kann die Folge sein. Auf der anderen Seite beinhalten frische kalorien­arme Lebens­mittel häufig eine Unzahl von Ballast­stoffen, welche die Verdauung beein­flussen und einen wesentlich geringeren In­su­lin­bedarf in einem größeren Zeit­fenster zur Folge haben.

Auch hier im Kranken­haus kann ich beobachten, wie die Qualität der Ernährung sich auswirkt. Viele ein­heimische Patienten kommen mit er­nährungs­bedingten Krank­heiten zur Be­hand­lung. Dabei sind es im besonderen Maße Individuen aus den wohl­habenderen Schichten der Bevölkerung. Gerade in Indien ist der jährliche Zuwachs an Typ-2-Diabetes weltweit am höchsten. Tendenz steigend.

Doch gerade stoff­wechsel- und er­nährungs­bedingte Krank­heiten lassen sich sehr gut mit Ayur­veda be­handeln. So ist in den meisten Fällen der Typ-2-Diabetes mit einer ra­di­ka­len Er­näh­rungs­um­stel­lung nicht nur im Ayurveda heil­bar. Aller­dings beginnt die zu­grun­de­lie­gen­de Therapie im Kopf.

In der ayur­vedischen Lehre werden neben den Doshas auch die drei geistigen Grund­qualitäten, die Gunas, unter­schieden. Die auf­ge­nom­mene Nahrung besitzt neben dem Energie­gehalt, den Nähr- und Bal­last­stoffen auch noch eine Wirkung auf den mentalen Zustand: Tamas, Rajas und Sattva, die auch als „Doshas des Geistes“ bezeichnet werden.

Tamas steht im Ayurveda für Träg­heit. Es wird eben­falls mit Begriffen wie Lethargie, Un­bewusst­heit, Dumpf­heit und depressiven Tendenzen assoziiert. Tamasige Nahrungs­mittel sind aus ayur­vedischer Sicht alle Lebens­mittel, die industriell hergestellt wurden. Ebenso gehören dazu Konserven­nahrung oder Ein­ge­machtes, Tief­ge­frorenes sowie Ver­fallenes, Altes, Ab­ge­standenes. Aber auch Süßig­keiten und Kuchen mit raffiniertem Zucker, Roh­milc­hkäse, Schimmel­käse, Hart­käse, Frittiertes, Gegrilltes, Geräuchertes, fettes rotes Fleisch, Wurst, Auf­schnitt, Schinken, fetter dunkler Fisch, hoch­pro­zen­tiger Alkohol und Drogen gehören dazu. Sie verbrauchen während des Verdauungs­prozesses eine un­ver­hältnis­mäßig große Menge an Energie, welches wiederum das Verdauungs­feuer Agni negativ beeinflusst. Im Ayurveda gibt es keine Verbote. Jedoch wird für tamasiche Lebens- und Genuss­mittel ein maximaler Ver­brauch von 10% am Tag empfohlen.

Rajas steht für Unruhe. Eine begriffliche Verbindung besteht zu Leiden­schaft und Rast­losigkeit. Rajasige Lebens­mittel bringen Körper und Geist in Un­gleich­gewicht, über­reizen den Körper, machen den Geist unruhig, gereizt und un­kontrol­lier­bar. Sie steigern Pitta. Zu dieser Klasse gehören Lebens­mittel wie Butter­milch, Frisch­käse, Joghurt, Kefir, Molke, Quark, süß­saure Früchte, sauer Ein­ge­legtes, Essig, alle scharfen Gewürze, Wein, Sekt, Bier, schwarzer Tee, Kaffee, auf­put­schende Getränke (Cola, Red Bull,…), weißer Fisch und Hefe­produkte. Ebenso gehört Brot dazu. Für rajasige Lebens­mittel wird im Ayurveda eine maximale Tages­menge von 30% empfohlen.

Sattva steht für Leichtig­keit. Damit im Zu­sammen­hang stehen die Begriffe Rein­heit, Balance und im Frieden sein. Die sattvige Ernährungs­weise gilt im Ayurveda als die reinste Form unter den Gunas. Sattvige Lebens­mittel sind leicht zu verdauen, vital, lebendig und schenken dem Körper alle not­wen­digen Nähr­stoffe die er für einen gesunden Körper und klaren Geist benötigt. Zu den sattvigen Nahrungs­mitteln zählen natürlich her­an­wachsende Lebens­mittel, die ohne künstlichem Dünger ange­baut, unbelastet von Schad­stoffen und frei von Giften oder Me­di­ka­men­ten sind. Dazu zählen Gemüse, Hülsen­früchte, Salate, ein­heimisches Obst, un­be­handelte Trocken­früchte, frisch gepresste Gemüse- und Obstsäfte, Roh­milch, Butter, Ghee, Getreide, Reis, frische Kräuter, Samen und auch Nüsse. Eine rein vegetarische oder gar vegane Er­nährungs­weise ist hierbei nicht die Vor­aus­setzung. Fleisch von Tieren, die nicht gelitten haben gilt ebenfalls als sattvig. Für diese Art der Er­nährung gilt im Ayurveda eine Empfehlung von 60-80% am Tag. Und die sind mit der heutigen in­dus­tria­li­sierten Land­wirt­schaft nicht mehr zu schaffen.

Diese teils jahr­tausende­alten Er­nährungs­em­pfehlungen über den intensiven Zu­sam­men­hang von Nahrungs­qualität und Psyche werden in vielen neueren Forschungen der Ernährungs­medizin bestätigt. Das Stich­wort lautet dabei intestinales Mikro­biom bzw. Darm­flora. So konnte in ver­schie­denen Studien gezeigt werden, dass er­näh­rungs­ab­hängig be­stimmte Po­pu­la­tio­nen von Darm­bak­te­rien Neu­ro­trans­mit­ter wie Sero­to­nin freisetzen können, die wiederum die Blut-Hirn-Schranke über­winden und maßgeblich das Verhalten beein­flussen. In­zwischen wird das Mikro­biom des Darmes nicht mehr als „Jauche­grube“ sondern als veri­tables Organ des mensch­lichen Körpers betrachtet. Die nächsten Jahre werden auf diesem Gebiet mit Sicher­heit sehr spannend werden. Zum Ei­nstieg in die The­ma­tik kann ich dabei das Buch „Food Pharmacy: Essen ist die beste Medizin“ empfehlen.

Genau wie die Frage der Ernährungs­qualität gerät die Frage von kürzeren und längeren Essens­pausen zu­neh­mend in den Blick­winkel der Forschung. Im Ayurveda gibt es die Empfehlung, dass zwischen den Mahl­zeiten eine Pause von mindestens sechs Stunden liegen sollte. Andern­falls bilden sich Abfall­stoffe und Toxine, das sogenannte Ama, welches den Organismus in zu­nehmen­den Maße belasten kann. Mit Fasten kann Ama nachhaltig abgebaut werden. Dabei ist Fasten nicht für alle Doshas gleich empfehlenswert.

In der Biologie wird bei längerer Essens­pause von Autophagie gesprochen. Dafür gab es 2016 den Nobel­preis in Medizin. Für Körper­zellen bietet Auto­phagie eine Möglichkeit geschädigte oder funktions­lose Proteine oder Zell­organellen zu verdauen und aus dem Verkehr zu ziehen. Vor­aus­setzung ist ein evolutionär uralter Mechanismus: Nahrungs­mangel/­Fasten. Das Thema ist so spannend, dass ich zu passender Zeit darüber einen eigenen Beitrag schreiben werde.

Fasten

An dieser Stelle möchte ich auch zum letzten Mal die Werbe­trommel für meine Spenden­aktion rühren. Nächste Woche werden wir schon wieder zurück­kommen. Ich freue mich auf Leipzig.

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2 Kommentare zu „Die Ernährung im Ayurveda – Teil 2“

  1. Lieber Peter,

    die Qualität der Speisen wird mitnichten nachgelassen haben – Du hast nur eine andere Wahrnehmung, da sich die von Dir zubereiteten ayurvedischen Gerichte durch eine so immense Schmachkhaftigkeit auszeichnen und Du sie meist in Deiner gewohnten Umgebung anstatt auf einem staubigen Krankenhausflur bei eklatanter Geräuschkulisse und ständig vorbeilaufenden oder getragen werdenden Patienten mit den vielfältigsten und sehr oft sehr dramatischen „Auswüchsen“ zu Dir nimmst…

    LG und guten und entspannten Rückflug (falls Du noch mal in den Holzschnitzerladen fahren solltest – mein kleiner Elephant hat keine Stoßzähne…)

    Matthias

    1. Lieber Matthias,
      vielleicht hast Du Recht.Das Essen ist auf jeden Fall immer noch von hoher Qualität. Vielleicht hätte ich nach vier Wochen Mung Dal einfach auch nur gern etwas mehr Auswahl gehabt.
      Viele Grüße aus Nadiad,

      Peter

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